Wahrscheinlich weißt du bereits über die Wichtigkeit von Vitamin D und hast vielleicht dazu schon einiges gelesen?
Falls nicht:
Das Robert Koch Institut hatte in einer Studie gezeigt, dass 45.6% aller Kinder in Deutschland unter 17 Jahren, sowie 56% aller Erwachsenen einen deutlichen Vitamin D Mangel aufweisen (unter 20 ng/ml) [1]. Hier reden wir aber von wirklichen Mängeln. Jedoch sind generell Werte unter 40 ng/ml auch suboptimal und unter 30 ng/ml sogar mangelhaft, d.h. die tatsächliche Zahl an mangelnder und unzureichender Vitamin D Versorgung ist noch weitaus höher. Die Auswirkungen von diesem Mangel können für den Körper gravierend sein. Daher ist es wichtig, sich mit diesem Thema tiefer zu beschäftigen, da du möglicherweise basierend auf dieser Statistik auch von einem solchen Mangel betroffen bist.
Vielleicht nimmst du auch ein Vitamin D Präparat regelmäßig ein und hast deinen Vitamin D 25(OH) Wert beim Arzt bestimmen lassen?
Wenn dieser Wert einigermaßen ok ist, dann hakt man das Thema in der Regel gerne ab und widmet sich anderen “Baustellen” zu. Heute will ich zeigen, dass dieser Ansatz leider nicht ausreicht, um einen balancierten Vitamin D Stoffwechsel mit all seinen Vorteilen für den Körper zu erzielen.
Leider denken immer noch viele Ärzte so. Man schaut (wenn überhaupt) mal kurz nach dem Vitamin D Wert und solange der nicht gerade unter 30 ng/ml ist, ist das Thema nicht so wichtig. Der Vitamin D Stoffwechsel ist aber recht komplex und es braucht einiges an aktuellem Wissen über den Zellstoffwechsel und die Epigenetik, um hier erfolgreich therapieren zu können.
Mit der Messung des Vitamin D 25(OH), auch Calcidiol genannt (dass ist die Speicherform von Vitamin D), welches in der Leber umgewandelt wird (aus der Vorstufe Cholecalciferol), weiß man zwar, dass bei ausreichenden Werten (idealerweise > 50 ng/ml, ca. 125 nmol/L) eine gute Vitamin D Depot Versorgung vorhanden ist.
Es besteht aber die Möglichkeit, dass ein wesentlicher Aspekt des Vitamin D Stoffwechsels, die epigenetische Regulierung von Genen, nicht oder nur unzureichend funktioniert!
Tatsächlich entfaltet Vitamin D als Hormon seine volle Wirkung über den sogenannten Vitamin D Rezeptor (VDR). Durch dieses Prinzip ist der Vitamin D Rezeptor Komplex je nach Zelltyp und physiologischen Bedingungen in der Lage, die Expression von Hunderten bis über 3000 Genen im menschlichen Genom zu regulieren [2] [3] [4]. Das ist also die Wirkung, die man gerne für sich nutzen möchte. Diese ist für die Vitamin D Wirkung wesentlich wichtiger als der gemessene Vitamin D Spiegel.
Eine ganze wichtige Rolle spielt der VDR auch bei dem Knochenstoffwechsel, welcher
etwa 70% des gesamten genetischen Einflusses auf die Knochendichte ausmacht und spielt daher eine wichtige Rolle bei der Kalziumhomöostase, dem Wachstum und der Differenzierung von Knochenzellen sowie der Darmkalziumabsorption. [12]
Nun kann es aber sein, dass der VDR durch eine genetische Variation (SNP, Single Nucleotide Polymorphismen) in einer nicht ausreichenden Menge produziert wird. Das weiss man aber nur dann, wenn man sich seine Genetik genauer anschaut und in dem Fall das VDR Gen. Liegt hier konkret eine solche Gen-Variation vor?
Es gibt auch andere Gründe für eine VDR Mangel (zum Beispiel Vitamin- oder Mineralienmangel, Infektionen, Radikalen Belastung), aber darauf wollen wir hier nicht weiter eingehen.
In meiner neuen Serie “Warum deine Gene wichtig sind”, will ich mich daher dem VDR Gen mal etwas genauer widmen.
Aber fangen wir mal von vorne an …
Vitamin D Stoffwechsel Grundlagen
Das Diagramm zeigt die Stoffwechselwege im Hinblick auf Produktion, Aktivierung und Wirkung von Vitamin D.
Quelle [3]
Die größte Menge an Vitamin D wird in der Haut durch die Umwandlung von 7-DHC (ein Sterin, welches auch der Vorläufer von Cholesterin ist) in Vitamin D3 (Cholecalciferol, Calciol) produziert. Vitamin D2 wird hauptsächlich über die Nahrung aufgenommen. Vitamin D2 und Vitamin D3 werden weiter in Vitamin D 25OH und Vitamin D 1,25 OH (die aktivierte Form) hydroxyliert. Dabei übt Calcitriol seine genomischen Wirkungen aus, indem es an den VDR / RXR (Retinoid-X-Rezeptoren) Komplex bindet und in den Zellkern transloziert, wo es mit VDRE (Vitamin D response element) interagiert [9].
Nicht-genomische Wirkungen sind hauptsächlich an der Calcium-Phosphat-Homöostase, sowie dem Knochenstoffwechsel beteiligt. Dabei werden Calcium- und Phosphatstoffwechsel durch Vitamin D und Parathormon reguliert [5]. Man nennt dies auch den zentralen Vitamin D Stoffwechsel [6].
Daneben gibt es den peripheren Vitamin-D-Stoffwechsel, der sich nach den spezifischen Bedürfnissen der einzelnen Zellen vor Ort und nicht nach systemischen Regelgrößen richtet. Hier geht es um den besagten VDR, der teilweise auf der Zellmembran sitzt, aber hauptsächlich innerhalb der Zelle zu finden ist.
Der Vitamin D Rezeptor (VDR)
Die besagte Genregulation durch den VDR hat gravierende Funktionen auf den Organismus. Die Vielfalt der Effekte reicht von der Zellproliferation in einigen onkogenen Pfaden bis hin zu antioxidativen und immunmodulatorischen Funktionen. Davon betroffen sind unter anderem das Immunsystem, Nervensystem, Schleimhäute, Reproduktionsorgane, Hormonsystem sowie das Herz. Nicht vergessen sollte man den Schutz vor Krebs, da VDR sogenannte Onkogene (die können Krebs auslösen) hemmt und gleichzeitig Tumorsuppressorgene (diese schützen vor Krebs) fördert.
Bei einer Hemmung oder Unterfunktion des VDR Gens, welches für den Bau des VDR Rezeptors benötigt wird, spielen auch die Mitochondrien eine zentrale Rolle bei der Aktivierung und auch dem Abbau des Calcitriols.
Mitochondriopathien (Schädigung der Mitochondrien) findet man häufig bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen, anhaltendem oxidativem Stress und toxischen Belastungen. Diese Kombination kann dann zu erheblichen Störungen des Vitamin-D-Stoffwechsels führen [8]. Wie immer ist es daher wichtig, die Qualität und Quantität seiner Mitochondrien eine Priorität zu haben und eine Strategie anzuwenden, wie man solche chronischen Entzündungen minimiert.
Was tun bei VDR Mangel?
Hat man nun eine DNA-Analyse gemacht und dabei einen solchen Polymorphismus des VDR Gens festgestellt, dann stellt sich natürlich die Frage, was tun?
Einfach nur Vitamin D einnehmen, ist hier keine sinnvolle Strategie. Wie gesagt, kann es sein, dass bereits ein ausreichender Calcidiol Spiegel im Blut vorhanden ist. Aber durch den VDR Mangel bekommen wir nur eine unzureichende Genregulation. Daher lohnt es sich, hier etwas proaktiv zu unternehmen.
Folgende Strategien haben sich in der Praxis als hilfreich erwiesen:
Ausreichende Versorgung mit Vitamin A (und Synergie der beiden Vitamine bei der Einnahme). Der VDR Rezeptor ist wie beschrieben ein Komplex in Verbindung mit dem Vitamin A RXR Rezeptor. Wer also Vitamin D einnimmt, sollte diese immer in Kombination mit Vitamin A (und auch Vitamin K) tun.
Die Gabe von VDBP (Vitamin-D-bindende Proteine). Das ist das “Taxi”, welches Vitamin D durch die Zellmembran schleust und so die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es auch an den VDR andocken kann. Dieses Vitamin-D-Bindungsprotein bindet sowohl 25(OH)D als auch Calcitriol. VDBP kann auch an freie Fettsäuren binden, und hohe Konzentrationen ungesättigter Fettsäuren können die Bindung von Vitamin D an VDBP blockieren. VDBP ist in einen Nährstoff Produkten enthalten, wie zum Beispiel von Mitocare die Mitochondrien Formula Sport, Aminosäuren Sport oder OrthoBone. Ein anderes Problem hier ist bei VDBP Mangel, dass potentiell das aktivierte Calcitriol an der Zellmembran am sogenannten MARRS Rezeptor (membrane associated, rapid response steroid-binding) andocken kann. Das erzeugt pro-inflammatorische Effekte, wie zum Beispiel die Bildung von Stickoxiden (NO) in der Zelle, sowie die Bildung von pro-entzündlichen Zytokinen. Mehr Radikale und mehr Entzündung führen dann wiederum zu weniger VDR Komplexen. Ein Circulus vitiosus (Abwärtsspirale) [7].
Nährstoffe, die Entzündungen senken und gleichzeitig die Bildung von VDR stimulieren, könnten hier hilfreich sein. Dazu zählen Polyphenole und sekundäre Pflanzenstoffe wie Resveratrol, Curcumin, Quercetin oder Grüntee (EGCG). [11] Zusätzlich könnten Präbiotika, welche die Erzeugung von kurzkettigen Fettsäuren im Darm stimulieren (Butyrate) hilfreich sein. [10]
Weitere relevante Vitamin D Gene: CYP2R1 und CYP27B1
Wir haben uns hier nur mal kurz das VDR Gen angeschaut, welches den Vitamin D Rezeptor kodiert. Es gibt aber noch andere wichtige Gene im Bezug zu dem Vitamin D Stoffwechsel.
Zum einen gibt es das CYP2R1 Gen. Dieses kodiert das Enzym, das im ersten Schritt wirkt und Cholecalciferol (Calciol) in der Leber in 25(OH)D umwandelt. Genetische Varianten spielen hier eine Rolle bei den Gesamtwerten von 25(OH)D.
Im zweiten Schritt bei der Umwandlung in die aktive Form von Vitamin D beinhaltet CYP27B1 Gen. Dies dient als Katalysator für die Umwandlung von 25(OH)D in Calcitriol (1,25 OH). Einige seltene Mutationen von CYP27B1 beeinflussen die Umwandlung in die aktive Form von Vitamin D und diese Mutationen stehen im Zusammenhang mit Rachitis, einer Krankheit, die durch Vitamin-D-Mangel in der Kindheit verursacht wird.
Jetzt könnte man meinen, das reicht eigentlich. Aber wir haben ja noch das oben erwähnte Vitamin-D Bindeprotein (VDBP). Dies wird durch das GC-Gen kodiert, und Varianten des Gens beeinflussen daher den Gesamt-Serumspiegel von 25(OH)D, aber auch die Wahrscheinlichkeit, wie gut Vitamin D in die Zelle eingeschleust werden kann. Die Häufigkeit der Varianten des GC-Gens variiert in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, und man nimmt an, dass dies ein Teil der Unterschiede im Vitamin-D-Spiegel zwischen den Bevölkerungen ist.
In meinem Fall habe ich SNPs in all diesen Genen inklusive VDR. Das heißt, mein Vitamin D Stoffwechsel war seit meiner Kindheit immer eine Herausforderung, aber damals wusste ich das ja alles nicht. Jetzt aber mit dem Wissen, gibt es Möglichkeiten, wie man hier gezielt und erfolgreich eingreifen kann.
Zusammenfassung:
Man kann sehen, wenn man hier etwas tiefer einsteigt, dass das Thema des Vitamin D Stoffwechsels sehr komplex ist. Der Artikel hier sollte nur mal einen kurzen Überblick zur Wichtigkeit des VDR geben, welcher in der Regel nicht gemessen oder auch therapiert wird.
Dabei sind die möglichen therapeutischen Effekte dieser epigenetischen Regulation bis zu 3000 Genen so wichtig für einen gesunden Organismus.
In meiner Erfahrung ist eine DNA-Analyse hilfreich, um solche Genvariationen wie beim VDR zu entdecken. Damit kann man die Therapie sinnvoll ergänzen. Sicherlich kann man durch das Messen von Calcitriol und dem daraus abgeleiteten Vitamin D Ratio auch Rückschlüsse über einen möglichen VDR Mangel feststellen. Man weiss dann jedoch nicht, ob dies ein momentanes Problem durch zum Beispiel Entzündungen ist oder ob es ein andauerndes Problem durch eine verminderte VDR Gen Aktivität ist. In einem solchen Fall wäre VDR dann ein Dauerthema in der Therapie.
Daher ist mein Motto hier: Kenne deine Gene!
Hinterlasse gerne deine Fragen als Kommentar.
Dein,
Reiner
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Referenzen
[1] Wie ist die Vitamin-D-Versorgung in Deutschland? - https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/FAQ08.html
[2] Snegarova V, Naydenova D. Vitamin D: a Review of its Effects on Epigenetics and Gene Regulation. Folia Med (Plovdiv). 2020 Dec 31;62(4):662-667. doi: 10.3897/folmed.62.e50204.. PMID: 33415918.
[3] Voltan, G.; Cannito, M.; Ferrarese, M.; Ceccato, F.; Camozzi, V. Vitamin D: An Overview of Gene Regulation, Ranging from Metabolism to Genomic Effects. Genes 2023, 14, 1691. https://doi.org/10.3390/genes14091691
[4] Żmijewski MA. Nongenomic Activities of Vitamin D. Nutrients. 2022 Dec 1;14(23):5104. doi: 10.3390/nu14235104. PMID: 36501134; PMCID: PMC9737885
[5] Wikipedia Calcium und Phosphat Haushalt https://de.wikipedia.org/wiki/Calcium-_und_Phosphathaushalt .
[6] Paracelsus - Die Vitamin D Ratio https://www.paracelsus.de/magazin/ausgabe/202103/die-vitamin-d-ratio
[7] Mark R. Haussler, G. Kerr Whitfield, Carol A. Haussler, Jui‐Cheng Hsieh, Paul D. Thompson, Sanford H. Selznick, Carlos Encinas Dominguez, Peter W. Jurutka, The Nuclear Vitamin D Receptor: Biological and Molecular Regulatory Properties Revealed, Journal of Bone and Mineral Research, Volume 13, Issue 3, 1 March 1998, Pages 325–349, https://doi.org/10.1359/jbmr.1998.13.3.325
[8] Mangin M, Sinha R, Fincher K. Inflammation and vitamin D: the infection connection. Inflamm Res. 2014 Oct;63(10):803-19. doi: 10.1007/s00011-014-0755-z. Epub 2014 Jul 22. PMID: 25048990; PMCID: PMC4160567.
[9] VDRE - Wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/VDRE
[10] Sun J. VDR/vitamin D receptor regulates autophagic activity through ATG16L1. Autophagy. 2016 Jun 2;12(6):1057-8. doi: 10.1080/15548627.2015.1072670. Epub 2015 Jul 28. PMID: 26218741; PMCID: PMC4922437.
[11] Apprato, G.; Fiz, C.; Fusano, I.; Bergandi, L.; Silvagno, F. Natural Epigenetic Modulators of Vitamin D Receptor. Appl. Sci. 2020, 10, 4096. https://doi.org/10.3390/app10124096
[12] Li, Y., Zhao, P., Jiang, B. et al. Modulation of the vitamin D/vitamin D receptor system in osteoporosis pathogenesis: insights and therapeutic approaches. J Orthop Surg Res 18, 860 (2023). https://doi.org/10.1186/s13018-023-04320-4
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