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Von der Epigenetik zur Proteomik - Was passiert tatsächlich in deinem Körper?

Autorenbild: Dr. Reiner KraftDr. Reiner Kraft

Proteomik - das Potential


Proteomik bezeichnet die Erforschung des Proteoms, welches die Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem Lebewesen unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt vorliegenden Proteine umfasst. [1]

Es ist schon spannend, wenn man sich überlegt, dass normalerweise bei den kleinsten Einheit im Körper über die Zelle geredet wird (Durchmesser von 10-40 µm). Unsere Mitochondrien sind noch um einiges kleiner (Durchmesser von 0,2 - 1 µm, 100–10.000 in den meisten Zellen). Mal grob überschlagen, wenn man sich eine Zelle in der Größe eines Hauses vorstellt, dann ist ein Mitochondrium die Größe eines Fußballs. 


Zoomen wir jetzt weiter rein auf die Ebene der Bausteine des Körpers, landen wir bei den Proteinen. Für ein Haus (zum Beispiel eine Zelle) braucht man Baumaterial, und genau das sind die Proteine. Diese bestehen wiederum aus Ketten von Aminosäuren. Darum ist es so wichtig, dass wir täglich genügend davon zu uns nehmen. Sonst haben wir kein Baumaterial und der Körper kann nicht bauen.


Beispielsweise braucht eine Person mit 80 Kg Gewicht täglich 1.5x davon in Gramm an Proteinen (80 Kg = 120 g Proteine). Bei sportlicher Belastung in der Regel noch mehr. [2] [3]


Wenn unsere Zellen arbeiten, werden Proteine gebaut und verwendet, um zahlreiche Aufgaben zu erfüllen. Um diese Proteine bauen zu können, brauchen wir einen Bauplan, die DNA. Die kann man sich wie eine Bibliothek mit vielen Büchern vorstellen. Nehmen wir davon ein Buch und schlagen eine Seite auf, dann könnte das vielleicht einen Teil eines Gens enthalten.


Wenn das Gen eingeschaltet ist (Epigenetik), dann kann es abgelesen werden und aus diesem Bauplan entsteht nun vereinfacht gesagt ein Protein. 

Wenn wir uns also anschauen, welche Proteine zu einem gegebenen Zeitpunkt vorhanden sind, dann sehen wir auf molekularer Ebene, was eigentlich gerade in unserem Körper und Stoffwechsel so passiert.


Jetzt sind wir bei der Proteomik angelangt. 


Hier sieht man den Unterschied zur Epigenetik:


Während es bei der Epigenetik unter anderem um die Regulation der Gene geht, welche abgelesen werden und welche nicht, schaut sich die Proteomik das Ergebnis davon an. Was wurde überhaupt gebaut? 

Da die Stoffwechselprozesse komplex sind und beim Bauen viele verschiedene Materialien benötigt werden, kann es also sein, dass bestimmte Proteine nicht gebaut werden (oder in geringerer Menge), weil nicht genügend von den benötigten Baumaterialien vorhanden ist.


Gerade Mineralien und Vitamine sind an vielen dieser Stoffwechselvorgänge als Kofaktor beteiligt. Das heißt zum Beispiel, ist nicht genügend Zink vorhanden oder mangelt es an Magnesium, dann können bestimmte Proteine nicht gebaut werden. 


Schaut man sich nun an, was alles gebaut wurde und sortiert diese gebauten Proteine, dann könnte man eine Übersicht bekommen, was gerade im Stoffwechsel gut funktioniert und was nicht. 


Technisch ist es mittlerweile möglich, diesen Sortier- und Zählvorgang auf molekularer Ebene durchzuführen. Dazu benutzt man die sogenannte Massenspektronomie.


Mit solch einer Analyse kann man daher eine objektive Beurteilung deines Lebensstils bekommen. Wenn du alles “richtig” machst und gesund bist, dann sollten die entsprechenden Proteine in ausreichendem Maße vorhanden sein.


Auf der anderen Seite sollte ein ungesunder Lebensstil zu gewissen Mängeln führen. 


Mittlerweile innerhalb der funktionellen Medizin kann man durch das Verwenden von funktionellen Laborwerten ganz gezielt den Zustand von verschiedenen Systemen im Körper nachweisen. Ich habe in dem Artikel über den Vitamin D Rezeptor (VDR) geschrieben, dass wenn man um diesen Stoffwechsel ordentlich beurteilen will, es mehrere solcher Blutwerte braucht. Zum einen das Vitamin D 25OH (Speicherform). Dann die aktive (instabile) Form, das Vitamin D 1,25OH. Daraus wird dann ein Vitamin D Ratio abgeleitet. [4] 


Für diesen Stoffwechsel brauchen wir bereits 3 funktionelle Laborwerte. Will man sich nun andere Stoffwechselprozesse anschauen, dann wird es schnell sehr komplex und man braucht eine große Menge dieser Werte (mehr als 30 sind da keine Seltenheit). Bei chronisch Kranken, wo man sich Ursachen genauer anschauen will. kommen dann mal schnell 1000-2000 Euro Laborkosten zusammen. 


Könnte man dies vereinfachen, wenn man sich das Proteom anschaut? 


Mittlerweile gibt es bereits fundierte Tests, die dies mit einem einzigen Wangenabstrich zulassen. Moleqlar ist hier innovativ unterwegs mit ihrem neuen Epiproteomischen Test. [5] Die zur Analyse verwendeten Proteine werden aus Wangenabstrichzellen extrahiert und mit optimierten und automatisierten Verfahren für die massenspektrometrische Messung vorbereitet. Die anschließende  Messung läuft auf einem Massenspektrometer ab, wobei auch mehrere Qualitätskontrollmessungen durchgeführt werden. 


Wir haben also ein nicht-invasive Testform, die einfach durchzuführen ist. Die Kosten sind (bei momentan 250 Euro) dabei überschaubar. 


Momentan kann ein solcher Test bereits über die folgenden Themen Auskunft geben:


  • Niereneffiziens (mittels dem Cystatin-C Protein) [6] 

  • Zuckerregulation (Proteine, die mit der Regulierung von Insulin verbunden sind) [7] 

  • Stickstoffbilanz (Proteine, die eine entscheidende Rolle bei der Synthese von Glutamin spielen) [8] 

  • Entzündungsreaktionen (CRP verwandte Proteine) [9]

  • Immunsystem Aktivierung (Proteine, die mit Interferonen verwandt sind) [10] 

  • Vitamin D Umsatz (Hier schaut man sich das Vitamin-D Bindeprotein VDBP  genauer an) [11]

  • Vitamin A und E Umsatz (bestimmte Proteine werden herangezogen, die mit dem Stoffwechsel und dem Transport von Vitamin A oder E zusammenhängen) [12] 

  • ATP Produktion (konzentriert sich auf den dynamischen Aspekt des Zellstoffwechsels)  [13] 

  • Zink Umsatz (Aktivität wichtiger zinkverwandter Proteine)

  • Zahnschmelzschutz (basiert auf Proteinen, die mit der Integrität des Zahnschmelzes zusammenhängen)

  • Orale Säuren- und Base Regulation ( misst das Gleichgewicht der pH-Regulierung im Zusammenhang mit den Proteinen im Speichel)

  • Cholesterin Metabolismus (Proteine, die mit dem Cholesterintransport zusammenhängen)

  • Sirtuin-Expression (Indikator für das Wohlbefinden der Zellen und die Stoffwechselregulierung)

  • Carnosin Umsatz (Besteht aus den Aminosäuren Beta-Alanin und Histidin und erfüllt wichtige Funktionen, z. B. als Antioxidans, als Säurepuffer bei hoher Belastung und zur Unterstützung der Muskelfunktion und Erholung.

  • Gewebekollagen-Integrität (gibt Aufschluss über die Widerstandsfähigkeit der Kollagenstrukturen)


Man sieht: Die Liste ist bereits recht lang!


All das aus ein paar Zellen per Wangenabstrich? Würde man für all diese Themen funktionelle Laborwerte nutzen, kann das recht schnell kostspielig werden. 

Ausblick


Sicherlich ist die Proteomik noch in den Kinderschuhen und braucht noch einiges an Forschung. Das passiert aber gerade. Ich habe einige Beispiele dazu als Referenzen beigefügt. 


Die Komplexität jedoch ist enorm: Der Mensch produziert schätzungsweise mehrere hunderttausend bis Millionen verschiedene Proteine. [1] Ein einzelnes Gen produziert im Schnitt fünf bis zehn Proteine, in manchen Fällen mehrere hundert. Diese Komplexität vollständig zu erfassen ist eine Herausforderung, der die derzeitigen Methoden noch nicht gewachsen sind. 



Therapeutische Überlegungen: Wie kann man von der Proteomik bereits jetzt profitieren?


Ich sehe momentan 3 Möglichkeiten, wie man einen solchen Proteomik Test bereits jetzt sinnvoll nutzen kann:


  1. Schnell einen Überblick über wichtige Bereiche des Zellstoffwechsels finden. Ein Streifzug durch die 16 vorhandenen Bereiche beim epiproteomischen Test gibt einen schnellen Überblick, wo möglicherweise wichtige Themen vorhanden sind, die man sich dann gezielt mittels funktioneller Labordiagnostik genauer anschaut. So reduziert man die Laborwerte auf die, die wirklich  gebraucht werden. 

  2. Für eine Möglichkeit der Verlaufskontrolle: Wenn man alles “richtig” macht, dann sollten die gebauten Proteine im Körper einen balancierten Mix aufweisen. Zum Beispiel könnte man einen solchen Test nutzen, wenn man per Verlaufskontrolle bereits die wesentlichen Therapieziele erreicht hat. Hier sieht man dann noch einmal das Gesamtbild.

  3. Als Teil eines optimierten Longevity Lifestyles würde man hier sehen, ob man weiterhin solide vorankommt oder ob es möglicherweise neue Themen gibt, die man sich genauer anschauen sollte. Ein Test pro Jahr (oder vielleicht vierteljährlich am Beginn einer Therapie) könnte hier sinnvoll sein. 


Ich sehe hier einiges an Potential für Innovation!


Dein,

Reiner





Wie kannst du tiefer in diese Themen einsteigen? 

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In beiden Fällen biete ich dir dazu ein kurzes Info Gespräch an, welches du dir auf der jeweiligen Webseite einstellen kannst. 



Referenzen


[1] Wikipedia Proteomik



[3] Dr. Ulrich Strunz, Das Aminosäure-Lexikon  https://www.strunz.com/aminosaeuren-lexikon 




[6] Huang H, Zhang Y, Gui L, Zhang L, Cai M, Sheng Y. Proteomic analyses reveal cystatin c is a promising biomarker for evaluation of systemic lupus erythematosus. Clin Proteomics. 2023 Oct 18;20(1):43. doi: 10.1186/s12014-023-09434-9. PMID: 37853350; PMCID: PMC10583312.


[7] Kolic, Jelena et al., Proteomic predictors of individualized nutrient-specific insulin secretion in health and disease, Cell Metabolism, Volume 36, Issue 7, 1619 - 1633.e5


[8] Liang T, Yuan Z, Fu L, Zhu M, Luo X, Xu W, Yuan H, Zhu R, Hu Z, Wu X. Integrative Transcriptomic and Proteomic Analysis Reveals an Alternative Molecular Network of Glutamine Synthetase 2 Corresponding to Nitrogen Deficiency in Rice (Oryza sativa L.). Int J Mol Sci. 2021 Jul 18;22(14):7674. doi: 10.3390/ijms22147674. PMID: 34299294; PMCID: PMC8304609.


[9] Eisenhardt SU, Habersberger J, Oliva K, Lancaster GI, Ayhan M, Woollard KJ, Bannasch H, Rice GE, Peter K. A proteomic analysis of C-reactive protein stimulated THP-1 monocytes. Proteome Sci. 2011 Jan 10;9(1):1. doi: 10.1186/1477-5956-9-1. PMID: 21219634; PMCID: PMC3023727.


[10] Yan W, Lee H, Yi EC, Reiss D, Shannon P, Kwieciszewski BK, Coito C, Li XJ, Keller A, Eng J, Galitski T, Goodlett DR, Aebersold R, Katze MG. System-based proteomic analysis of the interferon response in human liver cells. Genome Biol. 2004;5(8):R54. doi: 10.1186/gb-2004-5-8-r54. Epub 2004 Jul 22. PMID: 15287976; PMCID: PMC507879.


[11] Martínez-Aguilar MM, Aparicio-Bautista DI, Ramírez-Salazar EG, Reyes-Grajeda JP, De la Cruz-Montoya AH, Antuna-Puente B, Hidalgo-Bravo A, Rivera-Paredez B, Ramírez-Palacios P, Quiterio M, Valdés-Flores M, Salmerón J, Velázquez-Cruz R. Serum Proteomic Analysis Reveals Vitamin D-Binding Protein (VDBP) as a Potential Biomarker for Low Bone Mineral Density in Mexican Postmenopausal Women. Nutrients. 2019 Nov 21;11(12):2853. doi: 10.3390/nu11122853. PMID: 31766436; PMCID: PMC6950314.


[12] Zhang J, Zhou S, Zhang Q, Feng S, Chen Y, Zheng H, Wang X, Zhao W, Zhang T, Zhou Y, Deng H, Lin J, Chen F. Proteomic Analysis of RBP4/Vitamin A in Children with Cleft Lip and/or Palate. J Dent Res. 2014 Jun;93(6):547-52. doi: 10.1177/0022034514530397. Epub 2014 Apr 2. PMID: 24695672.


[13] Shen Y, Dinh HV, Cruz ER, Chen Z, Bartman CR, Xiao T, Call CM, Ryseck RP, Pratas J, Weilandt D, Baron H, Subramanian A, Fatma Z, Wu ZY, Dwaraknath S, Hendry JI, Tran VG, Yang L, Yoshikuni Y, Zhao H, Maranas CD, Wühr M, Rabinowitz JD. Mitochondrial ATP generation is more proteome efficient than glycolysis. Nat Chem Biol. 2024 Sep;20(9):1123-1132. doi: 10.1038/s41589-024-01571-y. Epub 2024 Mar 6. PMID: 38448734.


[14] Guantario B, Capolupo A, Monti MC, Leoni G, Ranaldi G, Tosco A, Marzullo L, Murgia C, Perozzi G. Proteomic Analysis of Zn Depletion/Repletion in the Hormone-Secreting Thyroid Follicular Cell Line FRTL-5. Nutrients. 2018 Dec 14;10(12):1981. doi: 10.3390/nu10121981. PMID: 30558183; PMCID: PMC6315927.

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